Als moderner Mensch wissen wir relativ viel von unserer Welt. Im Laufe meine jahrzehntelangen Praxis als Asatru habe ich danach gesucht, wie ich dieses Wissen mit meinem spirituellen Verständnis in Einklang bringen kann. Es war mir immer schon klar, dass Dinge nicht zufällig passieren. Die Vorstellung davon, dass alles auf eine einzige Ursache, nämlich einen Gott der ewig und allwissend ist, zurückzuführen ist fühlte sich aber auch nicht richtig an. So fand ich meinen Weg in das Pantheon der heidnisch germanischen Götterwelt.

I, Berig, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons

Dort traf ich auf drei Göttergeschlechter: Die Götter des Bewusstseins (Asen), die Götter der Instinkte/Triebe (Vanen) und die unbewussten, chaotischen Götter (Riesen/Joten). Ferner glaubte man dort an den Strom des Örlog- einem “Kausalstrom” der uns in einen Fluss der zeitlichen Geschehen einordnete und in dem wir uns durch dass was wird (Wyrd), bewegen konnten. Die Regeln nach denen das funktionierte waren aber im Dunkeln. Über Jahre hinweg forschte ich danach, denn rein intuitiv wollte ich keine Erklärung gelten lassen.

Heute bin ich davon überzeugt, dass weder der Intellekt, noch die Intuition allein die Antwort darauf geben kann. Erst ein Zusammenspiel davon vermag das vielleicht zu erreichen.

Betrachten wir zunächst einmal die Welten: wir finden neuen Welten, in denen sich unser Geist befinden kann. Die Welt in der wir zu Hause sind, nennt sich Midgard. Hier sind wir Menschen, in denen die Götter stark durch uns wirken können. Am Hellsten wurde dann Asgard überliefert. Dies ist die Welt der Asen, der Götter des Bewusstseins. Dort zu weilen heißt alles ganz bewusst zu erleben und vorwiegend auf der Basis des Verstandes zu entscheiden. Ebenfalls sehr hell wurde Vanaheim überliefert, die Welt der Vanen. Dort entsteht alles auf einer organischen, instinktiven Basis und kommt zu “natürlichen”, heilen Strukturen. Als Übergangswelten Zwischen Asgard und Vanaheim nach Midgard existieren nun Svartalfheim (Schwarzalfenheim) und Ljossalfheim (Lichtalfenheim). Die Schwarzalten stellen die Brücke zu den Asen dar. Es sind Geisterwesen oder -zustände die vorwiegend durch bewusstes Streben getrieben sind. Bei den Lichtalfen finden wir hingegen die instinktiven, triebhaften Geisterwesen und -zustände.

Guckt man nun in die andere Richtung findet man neben Licht natürlich auch Dunkelheit. Das tiefste Dunkel (keinesfalls mit Böse zu assoziieren!) ist Helheim. Dort liegt das Totenreich mit seiner Stille und seinem Frieden. Die Götten Hel ist dort Mutter und Königin zugleich und wenn man die Geschichten zur Hel ansieht entdeckt man, dass es bei ihr um mehr geht, als die Geister der Verstorbenen zu bewachen. Helheim ist das Reich der Vergessens und des Friedens und zu gleich die Wurzel zu unseren Ahnen. Zwischen Midgard und Helheim liegt Niflheim, die Welt in der alles im Nebel des Vergessens liegt. In Niflheim haben sich auf die Frostriesen zum Teil niedergelassen und unterstreichen dort den Charakter des unbewussten. In Niflheim zu weilen führ zu Resignation und Stagnation.

Neben Helhem befindet sich Jotunheim, das Reich der Riesen, die für alles unbewusste stehen. In Jotunheim finden sich selbst unbewusste Wesen jeglicher Coleur. In Jotunheim funktioniert alles nach Naturgesetzen und vollkommen ohne Bewusstsein. Schließlich gibt es auch wieder eine Zwischenwelt nach Midgard: Muspelheim. Die Welt des Feuers und somit der Feuerriesen. Feuer wird als Element dem Verstand zugeordnet und damit liegt neben der thermischen Eigenschaft der Feuerriesen auch ein irgendwie verstandesmäßiges Temperament nahe. Die meisten Menschen kennen es gut, wenn der Geist nach Muspelheim abdriftet und man im Zorn Dinge sagt oder tut, die man sonst eher nicht getan hätte. Mit diesem kleinen alltäglichen Beispiel möchte ich dazu anregen, einmal über unseren Kontakt in alle Welten nachzudenken.

Die Kräfte dieser neun Welten sind nun die “Antriebsfedern” für jegliches Handeln und Entstehen um uns herum. Es gibt Dinge die durch unbewusste, “physikalische” Ursachen entstehen, die nächsthöhere Ursache ist dann biologisch bis triebhaft und schließlich kommen die Dinge, die aus unseren bewussten Taten hervorgehen. Aus diesen Teilen setzt sich schließlich der Strom des Örlog zusammen.

Wenn also mein Haus vom Blitz getroffen wird, ist das nicht der Zorn der Götter. Es war die Physik und Natur. Allerdings wenn mein Haus dann niederbrennt, hatte ich keinen Blitzableiter angebaut, was eine bewusste Tat war oder einem unterlassen dieser bewussten Tat zugrunde liegt. Somit rächt es sich tatsächlich, wenn man den Asen nicht treu ist und dies kann man sehr wohl als “Zorn der Götter” beschreiben. Besonders wichtig ist aber die Erkenntnis, dass man kaum alle Ursachen für ein Geschehen benennen kann. Geschweige denn, kann man alles was einem widerfährt, auf eigene Verfehlungen (Sünden) zurückführen! Sehr wohl kann und muss man aber unterscheiden, wie man auf sein Schicksal reagiert. Denn sich zu grämen oder geistlos in Begeisterung zu schwelgen ist eine unbewusste/triebhafte Handlung und somit geben wir jegliche Kontrolle ab. Wenn wir aber den Verstand und das Bewusstsein wieder einbeziehen erlangen wir größtmögliche Freiheit und Kontrolle über unser Leben.