"Wir sind die mit den vielen Göttinnen und Göttern!"

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Das war die Lange Nacht der Religionen 2025

Viele Bilder folgen noch, wir warten noch auf die Freigabe durch abgebildete Personen und Photograf:innen.

Am 13. September 2025 fand von 14:00 bis 22:00 Uhr unser Event im Rahmen der Langen Nacht der Religionen Berlin statt.
Bereits um 13:30 Uhr öffneten wir die Türen und begannen mit einem Blót (Ritual). Rund 40 Gäste riefen gemeinsam den Thing-Frieden für die Veranstaltung aus und luden die Elemente sowie die Göttinnen und Götter ein, uns an diesem Tag zu begleiten, zu schützen und zu inspirieren.
In diesem Geist des Friedens und des gegenseitigen Verständnisses brachten alle ihre guten Wünsche ein und nahmen ein kleines Päckchen Samen mit nach Hause. Diese Samen sollen als Opfergabe dienen und im Frühjahr neue Hoffnung schenken.

Unter dem gemeinsamen Thema „Hoffnung“ standen auch die elf Workshops und Vorträge, die nach der Eröffnung in vier verschiedenen Räumen stattfanden. Jeder Raum war gut besucht, und zwischendurch bot sich die Gelegenheit, an den Infoständen mit Referent:innen und Gruppen ins Gespräch zu kommen.
Ein besonderes Highlight war unser World-Café: Bei Kaffee, Tee, Wasser, Saft, Keksen und Obst konnten sich die Besucher:innen ungezwungen über das Thema austauschen.

Die inhaltliche Bandbreite reichte von Animismus über Tiefenökologie, vom Räuchern und der Gestaltung von Ritualen bis hin zu praktischen Tanz- und Gesangseinheiten mit Medizinliedern. Unsere Referent:innen kamen nicht nur aus Berlin und Brandenburg, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet – sogar Gäste aus den USA waren eigens angereist. Ein besonderer Dank gilt Archdruid em. Rev. Jean Pagano.

Erstmals wurden wir außerdem von An-Nusrat e.V. und dem Projekt Muslime e.V. helfen unterstützt. Auch zum Projekt Dialog+, an dem unser Verein Pantheon e.V. beteiligt ist, gab es vor Ort Informationen. Wir haben uns sehr über die Präsenz unserer muslimischen Freund:innen gefreut und nehmen gern am Tag der offenen Moschee einen Gegenbesuch wahr. Die tatkräftige Hilfe – ob mit Obst oder einem Mietzuschuss – hat unser gemeinsames Anliegen spürbar gestärkt. Dafür sagen wir herzlich Danke!
Aus den Gesprächen mit Gästen vor Ort sind zudem einige neue Ideen entstanden.

Gegen 21:00 Uhr endete der Tag mit einer gemeinsamen druidischen Zeremonie: Wir dankten für die Erfahrungen, tanzten und trommelten zusammen.
Unser Ziel – die große Kraft der Hoffnung sichtbar und für alle zugänglich zu machen, und das auf vielfältige Weise – wurde aus unserer Sicht erreicht. Im Laufe des Tages nahmen etwa 60–70 Menschen teil, viele blieben bis zum Schluss.

Wir freuen uns auf die Umsetzung der „Hoffnungsprojekte“ in den kommenden Monaten – und natürlich schon jetzt auf die Lange Nacht der Religionen 2026!

Frau Holle – Muttergöttin, Wandlerin und Hüterin der Unterwelt

Die Figur der Frau Holle ist vielen aus dem Märchen der Brüder Grimm bekannt: eine alte Frau, die Fleiß belohnt und Faulheit bestraft. Doch hinter dieser scheinbar einfachen Märchengestalt verbirgt sich eine uralte mythische Tradition, die tief in vorchristliche Glaubenswelten hineinreicht. Frau Holle ist weit mehr als eine Hausmutter in der Märchenwelt – sie ist eine Muttergöttin, Unterweltgöttin und Wandlerin.

Vorchristliche Wurzeln

Frau Holle, auch Hulda, Holda oder Holla genannt, war ursprünglich eine Matronengöttin. Verehrt wurde sie vor allem in Mittel- und Süddeutschland. Sie war zuständig für das Spinnen, Weben und die häuslichen Arbeiten, zugleich aber auch für Fruchtbarkeit, Kindersegen und die Zyklen der Natur. In ihr verbinden sich Aspekte einer Erdgöttin und einer Himmelsgöttin: sie schenkt Leben, hütet es und nimmt es schließlich wieder zu sich.

Heilige Orte und Zugänge zu ihrem Reich

Die Mythen verorten Frau Holle an besonderen Orten: Teiche, Quellen, Brunnen und Höhlen gelten als ihre Wohnstätten und als Portale in die Anderswelt. Der bekannteste davon ist der Frau-Holle-Teich auf dem Hohen Meißner in Hessen. Dieser gilt bis heute als Eingang zu ihrem Reich unter der Erde – ein Ort der Transformation und der Seelenwanderung. Auch in Gotha gibt es eine Sage, dass Frau Holle ungeborene Kinder in einer Quelle behüte. Die Brunnen und Wasserstellen symbolisieren hier Übergänge, Schwellen und Verbindungen zwischen der Welt der Lebenden und der Anderswelt.

Frau Holle und Hel

In manchen Deutungen wird Frau Holle mit der nordischen Totengöttin Hel gleichgesetzt. Dabei zeigt sich ein entscheidender Unterschied zur christlichen Vorstellung der „Hölle“: Das Helheim ist kein Ort der ewigen Verdammnis, sondern ein Reich der Wandlung, in dem die Seele nach dem Tod verweilt und sich verwandelt. Damit teilt Frau Holle mit Hel die Rolle als Hüterin des Übergangs, als Begleiterin von Werden und Vergehen. Sie verkörpert den zyklischen Charakter der Natur – Geburt, Tod und Wiederkehr.

Die Wandlerin

Frau Holle ist eine Gestalt der Dualität: Sie erscheint gütig, mütterlich und fürsorglich, wenn sie Fleiß belohnt und Segen spendet. Zugleich kann sie streng und strafend sein, wenn Ordnung und Respekt verletzt werden. Diese Doppelgesichtigkeit macht sie zu einer Wandlerin, die alle Aspekte des Lebens umfasst: das Schöne und das Bedrohliche, das Gebende und das Nehmende. In ihr spiegelt sich das Leben selbst, das stets in Bewegung und Veränderung ist.

Warum ist das moderne Heidentum KEINE Naturreligion?

Der Begriff „Naturreligion“ ist ein historisch belasteter und wissenschaftlich problematischer Terminus. Seine Entstehung und Verwendung hängen eng mit den Entwicklungen der europäischen Religionswissenschaft und Theologie des 18. und 19. Jahrhunderts zusammen.

Entstehung des Begriffs

„Naturreligion“ wurde in der Aufklärung und im Kolonialzeitalter als Gegenbegriff zur „Offenbarungsreligion“ geprägt. Theologen und Philosophen – etwa Immanuel Kant oder Friedrich Schleiermacher – stellten Religionen, die nicht auf einer schriftlich fixierten göttlichen Offenbarung beruhen, in Gegensatz zum Christentum. „Naturreligion“ sollte beschreiben, dass diese Religionen aus der „Natur“ des Menschen hervorgehen, ohne göttliche Eingebung oder schriftliche Tradition. Damit war der Begriff von Anfang an abwertend konnotiert: Er kennzeichnete Religionen als früh, unvollkommen, primitiv – lediglich eine Vorstufe zur „eigentlichen Religion“.

Im Zuge der Kolonialexpansion Europas griffen Missionare und Kolonialbeamte diesen Begriff auf, um Religionen in Afrika, Amerika, Asien oder Ozeanien zu klassifizieren. Er diente dazu, kolonialisierte Kulturen als geistig rückständig darzustellen und das eigene Missions- und Herrschaftsprojekt zu legitimieren.

Eurozentrische und kolonialistische Prägung

Das Konzept „Naturreligion“ ist zutiefst eurozentrisch:

  • Es setzt das Christentum als Maßstab, an dem andere Religionen gemessen werden.
  • Religionen ohne Buch, kanonische Lehre oder zentralisierte Institutionen wurden als defizitär gedeutet.
  • „Natur“ wurde als Gegensatz zu „Kultur“ und „Zivilisation“ verstanden, womit diese Religionen pauschal als unentwickelt galten.

Darüber hinaus beförderte der Begriff stereotype Vorurteile, die bis heute wirksam sind: Die Vorstellung, „Naturvölker“ würden „Steine anbeten“ oder „Bäume verehren“. Diese simplifizierenden Klischees finden sich besonders in älteren theologischen Schriften und haben das Bild indigener Religionen bis ins 20. Jahrhundert geprägt.

Problematische Wirkung im Diskurs

Wenn heute noch von „Naturreligion“ gesprochen wird, wird unbewusst diese koloniale Abwertung reproduziert. Der Begriff suggeriert:

  • dass die betreffenden Religionen irrational seien,
  • dass sie lediglich Objekte oder Naturphänomene anbeten,
  • dass ihnen die „Höhe“ und „Reife“ großer Buchreligionen fehle.

Damit transportiert der Ausdruck auch heute noch eine christlich-theologische Vorrangstellung und fördert Vorurteile anstatt differenzierter Wahrnehmung.

Warum der Begriff für modernes Heidentum ungeeignet ist

Moderne heidnische Bewegungen wie Ásatrú, Druidentum oder Wicca verstehen sich nicht als „Naturreligionen“ im Sinne dieser alten Klassifikationen. Zwar spielt die Natur in Ritualen und Symbolik eine zentrale Rolle, doch diese Bewegungen sind:

  • bewusst reflektiert: Sie entstehen in modernen Gesellschaften und setzen sich aktiv mit Geschichte, Mythologie und Philosophie auseinander.
  • pluralistisch: Sie integrieren Traditionen, Mythen und Praktiken aus unterschiedlichen Epochen und Regionen.
  • selbstbestimmt: Sie treten nicht als „Überreste primitiver Kulte“ auf, sondern als zeitgenössische Religionsformen mit eigenen theologischen und spirituellen Ansprüchen.

Den Begriff „Naturreligion“ zu verwenden, hieße also, moderne heidnische Religionen in dieselbe Schublade zu stecken wie die abwertenden Klassifikationen kolonialer Theologen. Dies widerspricht dem Selbstverständnis und fördert Missverständnisse im interreligiösen Dialog.

Fazit

Der Begriff „Naturreligion“ ist ein koloniales Erbe und sollte in der religionswissenschaftlichen wie interreligiösen Redeweise nicht mehr unkritisch benutzt werden. Stattdessen ist es sinnvoller, differenzierte Bezeichnungen wie „indigene Religionen“, „polytheistische Religionen“, „erdverbundene Spiritualität“ oder schlicht die Eigenbezeichnungen der jeweiligen Tradition zu verwenden. Für modernes Heidentum wie Asatru und Druidentum ist der Begriff nicht nur unzutreffend, sondern trägt unweigerlich Vorurteile fort, die es zu überwinden gilt.

Literaturhinweise

  • Bergunder, Michael (2010): Was ist Religion? Kulturwissenschaftliche Überlegungen zum Gegenstand der Religionswissenschaft. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft 18(1).

– Kritische Auseinandersetzung mit Begriffsbildungen und deren eurozentrischen Wurzeln.

  • Gladigow, Burkhard (2005): Europäische Religionsgeschichte. In: Hubert Cancik / Burkhard Gladigow / Karl-Heinz Kohl (Hg.): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Stuttgart.

– Erklärt, wie die Begriffe „Natur-“ und „Offenbarungsreligion“ im europäischen Kontext entstanden.

  • Kippenberg, Hans G. / Stuckrad, Kocku von (2003): Einführung in die Religionswissenschaft. Gegenstände und Begriffe. München.

– Überblick über zentrale Begriffe der Religionswissenschaft, inkl. Kritik am „Naturreligions“-Konzept.

  • Masuzawa, Tomoko (2005): The Invention of World Religions. Or, How European Universalism Was Preserved in the Language of Pluralism. Chicago.

– Zeigt die kolonialen und eurozentrischen Hintergründe der Kategorisierung von Religionen.

  • Stuckrad, Kocku von (2010): Locations of Knowledge in Medieval and Early Modern Europe. Esoteric Discourse and Western Identities. Leiden/Boston.

– Historische Analyse, wie religiöse Kategorien (inkl. „Naturreligion“) zur Abgrenzung Europas von „anderen“ dienten.

  • Smith, Jonathan Z. (1998): Religion, Religions, Religious. In: Mark C. Taylor (Hg.): Critical Terms for Religious Studies. Chicago.

– Grundlagentext zur Kritik an religionswissenschaftlichen Kategorien, die oft eurozentrisch konstruiert sind.

Warum der Begriff „Weltreligionen“ problematisch ist

Wenn von „Weltreligionen“ die Rede ist, klingt das zunächst neutral: Man meint die großen Religionen, die auf der ganzen Welt verbreitet sind. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass der Begriff alles andere als unschuldig ist – und in interreligiösen Begegnungen sogar mehr trennt als verbindet.

Woher der Begriff kommt

Der Ausdruck „Weltreligionen“ entstand im 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der europäische Gelehrte Religionen nach wissenschaftlichen Kriterien ordnen und vergleichen wollten. Als Maßstab galten: viele Anhänger:innen, weite geografische Verbreitung und vor allem schriftlich fixierte Lehren. In diese Kategorie passten Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus. Religionen ohne „heilige Bücher“, ohne Mission oder ohne globalen Anspruch – etwa indigene Traditionen – wurden ausgeschlossen.

Schon hier wird sichtbar: Die Kriterien spiegeln ein stark europäisch geprägtes Denken wider und nicht die Selbstsicht der jeweiligen Religionen.

Ein Begriff, der spaltet

Wer von „Weltreligionen“ spricht, teilt Religionen unbewusst in Klassen ein:

„Wichtig“ vs. „unwichtig“ – manche Religionen erscheinen relevant, andere nebensächlich.

„Echt“ vs. „nicht echt“ – nur die „großen“ Religionen gelten als „vollwertige“ Religionen, andere werden als Aberglauben oder Folklore abgetan.

Damit schafft der Begriff eine Hierarchie, die viele Gemeinschaften marginalisiert.

Kritik aus der Religionswissenschaft

Heute sehen viele Forscher:innen den Begriff kritisch. Er sei nicht nur ungenau, sondern auch normativ – also wertend. Statt die Vielfalt religiöser Wirklichkeiten abzubilden, verengt er den Blick auf wenige „große Systeme“. Er ist also eher ein Produkt westlicher Wissenschaftsgeschichte als eine treffende Beschreibung der religiösen Landschaft der Welt.

Warum er im Dialog nicht hilft

Gerade im interreligiösen Dialog ist der Begriff „Weltreligionen“ fehl am Platz. Wenn nur bestimmte Religionen eingeladen werden, andere aber nicht, entsteht keine echte Begegnung auf Augenhöhe. Das Ziel des Dialogs – Respekt und Verständigung zwischen allen spirituellen Wegen – wird untergraben.

Darum setzen viele interreligiöse Netzwerke inzwischen auf inklusivere Formulierungen. Statt von „Weltreligionen“ sprechen sie von Religionen, spirituellen Traditionen oder Glaubenswegen – ohne Wertung, ohne Hierarchie.

Fazit

Der Begriff „Weltreligionen“ stammt aus einer Zeit, in der Religionen in ein starres Schema gepresst wurden. Er spaltet in „groß“ und „klein“, „echt“ und „unecht“ – und ist damit alles andere als hilfreich. Wer Vielfalt ernst nimmt, sollte ihn meiden und nach einer Sprache suchen, die alle religiösen Traditionen auf Augenhöhe sichtbar macht.

Grundlegende Werke zur Kritik am „Weltreligionen“-Modell

  • Wilfred Cantwell Smith (1962): The Meaning and End of Religion.

Smith zeigt, dass Begriffe wie „Religion“ oder „Weltreligion“ Konstrukte der modernen Wissenschaft sind, die den gelebten Glauben nicht angemessen wiedergeben.

  • Tomoko Masuzawa (2005): The Invention of World Religions: Or, How European Universalism Was Preserved in the Language of Pluralism. Chicago.

Eine grundlegende Analyse, wie der Begriff „Weltreligionen“ im 19. Jahrhundert aus europäischem Universalismus entstand und wie er bis heute koloniale Denkweisen fortschreibt.

  • Hans G. Kippenberg (2002): Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne. München.

Zeigt auf, wie die Religionswissenschaft im 19. Jahrhundert Religionen hierarchisierte und dabei das Konzept der „Weltreligionen“ etablierte.

Wir stellen vor: kaa – Stadt-Druide.berlin

In Berlin beheimatet, gestaltet kaa Räume für kollektiven Wandel – durch Design und Moderation partizipativer Veränderungsprozesse, Rituale und eine tiefe Praxis der Wiederverzauberung. Als Weggefährte auf dem alten Pfad seit über 30 Jahren, verbindet kaa druidische Weisheit und Praxis mit zeitgenössischer Übergangsbegleitung. Ihre Arbeit erinnert daran, dass Veränderung nicht verwaltet, sondern gerufen und geerdet werden will.

https://stadt-druide.berlin

kaa@stadt-druide.berlin

Bei unserer Veranstaltung zur Langen Nacht der Religionen am 13.09.2025 ist kaa mit dem Thema „Tiefenökologie“ dabei. Um 15.30 Uhr in Raum 11.

Ambiguitätstoleranz im Paganismus: Mythen, Rituale und die Kunst, Widersprüche zu feiern

Wer zum Wochenende etwas mehr Zeit zum Lesen hat: Eine kurze Zusammenfassung eines Themas, was wir im kommenden Jahr als Bildungsverein stärker in Seminaren und Artikeln behandeln wollen:

1. Einleitung: Ambiguität als menschliche Grunderfahrung

Ambiguität – also Mehrdeutigkeit, Spannungsfelder und Widersprüche – prägt das menschliche Leben. In interkulturellen und interreligiösen Kontexten ist die Fähigkeit, Ambiguität zu tolerieren, von entscheidender Bedeutung. Sie verhindert, dass Differenzen in Feindschaft umschlagen, und ermöglicht einen offenen Dialog.

Der Paganismus zeigt in besonderer Weise, wie Ambiguität nicht nur ertragen, sondern schöpferisch gelebt werden kann. Er verbindet ambivalente Gottheiten, zyklisches Denken und eine rituelle Praxis, die Wandel und Gegensätze nicht auflöst, sondern integriert.

2. Ambivalente Gottheiten – Spiegel des Lebens

Polytheistische Religionen kennen keine eindimensionalen Götterfiguren. Die Gottheiten sind komplex, voller Spannungen – und gerade darin nah am Menschen.

Odin (nordisch): Der „Allvater“ opfert sein Auge, um Wissen zu erlangen, hängt sich selbst neun Nächte an den Weltenbaum Yggdrasil, um die Runen zu empfangen (Völuspá, Poetische Edda). Er ist ein Suchender und Weiser – zugleich aber auch Kriegsgott und Listenreicher, der Unheil bringt. In ihm verbinden sich Licht und Dunkel.

Freya (nordisch): Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit, aber ebenso Herrin über die Toten, die nach Walhall zur Hälfte in ihr Reich, Fólkvangr, einziehen. Sanft und tödlich, sinnlich und schrecklich.

Persephone (griechisch): Tochter der Demeter, im Mythos geraubt von Hades. Sie wird zur Königin der Unterwelt, kehrt aber jedes Jahr an die Oberfläche zurück. In ihr vereinen sich Frühling und Tod, Blüte und Dunkelheit.

Cernunnos (keltisch): Gehörnter Gott, Symbol von Fruchtbarkeit und Wildnis, zugleich Herr der Tiere und Grenzgänger zur Unterwelt.

Diese Mythen zeigen, dass Widersprüche nicht ausgeschlossen, sondern zum Wesen des Göttlichen gehören. Ambiguitätstoleranz bedeutet hier: Die Fülle der Existenz anzunehmen, ohne sie auf eine Dimension zu reduzieren.

3. Zyklisches Denken: Zeit als Kreis, nicht als Linie

In paganen Weltbildern ist Zeit nicht linear und zielgerichtet, sondern zyklisch. Werden und Vergehen, Licht und Dunkel sind Teil eines ewigen Kreislaufs.

Rituale wie das Entzünden von Feuern, das Kreisen um den Maibaum oder das Teilen von Opfergaben zeigen den Menschen als Teil dieser Zyklen. Ambiguitätstoleranz wird hier körperlich erfahrbar: Leben bedeutet immer auch Tod, Aufstieg bedeutet Niedergang, und jeder Beginn trägt das Ende schon in sich.

4. Ambiguität und interkulturelle Offenheit

Polytheismus fördert eine Haltung der Anerkennung. Wo viele Gottheiten nebeneinander existieren, ist es leicht, auch fremde Götter als Teil des Kosmos zu akzeptieren.

Interpretatio Romana: Römer setzten fremde Götter ihren eigenen gleich (z. B. Isis = Demeter, Taranis = Jupiter). Das war nicht Abwertung, sondern Integration – Ausdruck der Überzeugung, dass das Göttliche vielfältig erscheint.

Synkretismus im Mittelmeerraum: Hellenistische Kulte verbanden Elemente griechischer, ägyptischer und orientalischer Religionen, ohne Widerspruch zu empfinden.

Diese Offenheit wurzelt in der Ambiguitätstoleranz des Paganismus: Wahrheit wird nicht exklusiv beansprucht, sondern plural gedacht.

5. Philosophische Reflexion: Ambiguität als Ressource

In philosophischen Begriffen lässt sich sagen: Paganismus praktiziert eine pluralistische Ontologie. Das Göttliche ist nicht „eines“, sondern „viele“. Dadurch entsteht ein Raum, in dem Differenz nicht überwunden werden muss, sondern produktiv bleibt.

Ambiguitätstoleranz bedeutet dann nicht, den Widerspruch „wegzuerklären“, sondern ihn anzuerkennen. In paganer Perspektive ist Wahrheit kein fester Endpunkt, sondern ein offener Prozess – sichtbar in Zyklen, Mythen und Ritualen.

6. Schluss: Feiern statt erdulden

Ambiguitätstoleranz im Paganismus ist keine passive Duldsamkeit, sondern eine aktive Lebenshaltung.

Götter verkörpern Spannungen.

Rituale inszenieren Gegensätze.

Zeit wird zyklisch gedacht, nicht linear.

Polytheismus öffnet den Blick für andere Traditionen.

Der Paganismus lehrt: Widersprüche sind nicht Mangel, sondern Quelle von Schönheit, Weisheit und Gemeinschaft. In einer pluralistischen Welt kann diese Haltung ein Modell für interkulturelles und interreligiöses Miteinander sein.

Auftaktveranstaltung zur Langen Nacht der Religionen am 10.09.2025 ab 18 Uhr

Die Lange Nacht der Religionen findet am 13. und 14.09.2025 in ganz Berlin statt. Tempel, Kirchen, Moscheen, Gemeindehäuser öffnen die Türen.

Das ist für die Gäste eine spannende Reise. Manche besuchen Orte in der Nachbarschaft, manche machen sich einen „Tourenplan“, manche suchen sich eine Sache aus und bleiben dort.

Alles möglich 🙂

Es gibt immer eine gemeinsame Eröffnung. Früher fand diese direkt am Samstag statt. Das ist aber zunehmend schwierig für Organisator:innen, die in ihren Gemeinschaften vor Ort sein müssen.

Daher machen wir das ein paar Tage früher.

Seid also herzlich eingeladen zur Auftaktveranstaltung zur Langen Nacht der Religionen am 10.09.2025 ab 18 Uhr (ca 2-3 h).

Ort: Vor dem Kulturforum

Johanna und Eduard Arnhold Platz (Gemäldegalerie/ Kulturforum, ehem. Matthäikirchplatz), 10785 Berlin

Programm:

Die 14. Lange Nacht der Religionen steht dieses Jahr unter dem Motto Hoffnung. In den letzten Jahren haben 60-100 Religionsgemeinschaften aus den verschiedensten Traditionen teilgenommen und sehr viele interessierte Gäste angezogen.

Interreligiöses Speed-Dating, musikalische Darbietungen des deutsch-ukrainischen Chors „Die Schwalben“ und Gebete für Frieden und Demokratie laden bei der Auftaktveranstaltung zum Mitmachen ein.

Wir freuen uns auf zahlreiche Gäste und Mitwirkende!

Alle können kommen. Anmelden erleichtert die Planung. Aber wenn ihr das vergesst – kommt trotzdem vorbei 🙂

Anmeldung

13.09.2025, 15.30 Uhr Workshop kaa – Tiefenökologie – ”die Erde lieben”

In diesem Workshop wollen wir uns mit der Erde und unserer Liebe zu ihr beschäftigen und uns die Frage stellen, wie das in diesen Zeiten auf dem Planeten praktisch aussehen kann. Wie können wir Spiritualität, Ethik und Umweltbewusstsein zusammen denken und ganzheitlich handeln? Warum ist ein Ansatz der Weltzeiten und Wirklichkeitsebenen durchdringt heilsamer als bloßes CO² – Einsparen? Was haben unsere Ahnen mit unserem Handeln zu tun? Wie können wir gute Ahnen und Älteste werden? Wir werden in die Tiefenzeit eintauchen, eine Ahnenreise machen, zurück in die Zukunft blicken und verstehen, das Plastik auf ganz konkrete Art lebendig, aber gefangen ist. Wir werden auftauchen mit Wissen um Ansätze und Netzwerke, und Ideen, wie wir uns konkret daran beteiligen können, Lebendigkeit zu ehren und Hüter*innen einer sich selbst bewussten, intelligenten Schöpfung zu werden.

15:30  Ankommen und Kennenlernen

15:45  Phantasiereise

16:00  Tiefenökologie – Konzepte, Geschichten, Definitionen

16:15  Ganzheitliche Ansätze europäisch indigener Traditionen

16:30  Wiederverbindung und Wiederverzauberung

16:45  Ausatmen und Auseinandergehen

13.09.2025, 19:00 Uhr Bewusster Umgang mit medialen Fähigkeiten

Workshop: „Bewusster Umgang mit medialen Fähigkeiten“
von und mit Urs Bärenkräfte Barth
www.ahnenwege.de

Hast Du mediale Fähigkeiten oder Begabungen, mit denen Du zum Beispiel Geistwesen

oder Verstorbene sehen, hören oder spüren kannst? Fühlst Du Dich diesen Begegnungen und Erfahrungen oft ausgeliefert und wünschst Dir, mehr Kontrolle über Deine Wahrnehmungskanäle zu erlangen?

Dieser Workshop richtet sich an Menschen mit medialer Wahrnehmung – ob Du gerade erst beginnst, Deine Gabe zu verstehen, oder schon lange damit lebst. Hier findest Du Raum, Deine Erfahrungen zu reflektieren, Fragen zu stellen und Deine Fähigkeiten bewusster zu lenken.

Wir sprechen über Grundprinzipien medialer Begabung, den Umgang mit offenen Kanälen und die Kunst, sie gezielt zu öffnen und zu schließen. Du lernst, wie Du Deine Grenzen besser schützt, Deine Wahrnehmung klarer strukturierst und Dich in Deiner Rolle und mit Deinen Aufgaben als mediales Wesen sicherer bewegst.

Praktische Übungen und Austausch im Kreis geben Dir neue Impulse, um Deine Fähigkeiten in Einklang mit Deinem Alltag zu bringen – nicht als Bürde, sondern als Ressource.

Ich meine: Nicht von ungefähr zeigen sich in diesen Zeiten mehr und mehr mediale Begabungen – genau die Kompetenzen, die wir brauchen, um über den Tellerrand der menschlichen Existenz zu schauen, um Lösungen zu finden, die über unsere Schulweisheit hinausreichen.

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