Bericht vom Berliner Forum der Religionen:

“Die Evangelische Akademie zu Berlin und das Berliner Forum der Religionen suchten erneut das Gespräch über die Grenzen des Gewohnten hinweg und luden am 2. April 2019 zum 3. Interreligiösen Abendforum in den Casalis-Saal der Französischen Friedrichstadtkirche ein. Das ausgefallene Thema “Das Heilige in vielerlei Gestalt. Polytheismus in Berlin” lockte mehr als 80 Gäste.

Den Input gab Prof. Dr. Susanne Lanwerd, die an der International Psychoanalytic University Berlin (ipu) Religions- und Kulturwissenschaft lehrt. Ihre Überlegungen zum Polytheismus konzentrierten sich auf das mehrjährige Forschungsprojekt “The Urban Sacred. Städtisch-religiöse Arrangements in Amsterdam, Berlin und London” (http://www.urban-sacred.org/), in dessen Rahmen Präsenz und Materialität verschiedener Religionen im öffentlichen Raum untersucht wurden. Anhand der drei Fallstudien zeigte sie sowohl historisch gewachsene wie zeitgenössische Transformationen des öffentlichen Raums durch religiöse Praktiken als auch die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen sakralen und urbanen Orten auf.

An der Podiumsdiskussion nahmen zudem Babalorixá Muralesimbe (Candomble-Priester), Gudrun Pannier (Vorsitzende der Pagan Federation International e. V. und Sprecherin von Pagane Wege und Gemeinschaften) sowie Prof. Dr. Johann Evangelist Hafner (Prof. für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam) teil. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Rüdiger Sachau (Evangelische Akademie zu Berlin) und Dr. Michael Bäumer (Berliner Forum der Religionen).

Babalorixá Muralesimbe berichtete kurz über die Geschichte des Candomble, die Orixás, deren Opfergaben sowie Trancezustände und Rituale. Gudrun Pannier referierte über die erstaunliche Vielzahl heidnischer und magischer Gruppen in Berlin und Brandenburg, deren Glaube polytheistisch, aber auch animistisch oder pantheistisch geprägt sein kann. Auch wies sie darauf hin, dass bei “Pagane Wege und Gemeinschaften Berlin” kein Platz für neurechte Gruppen sei. Eine Antiextremismusklausel schütze viele Vereine vor einer entsprechenden Vereinnahmung.

Die anregende Diskussion kreiste um Topographie und Missionierung, aber auch um das Verhältnis von Orixás, Göttern und Engeln. Wenn Religion durch Menschen gemacht ist, gibt es dann doch etwas Größeres, z. B. als das je eigene Ego? Auch solche Fragen wurden angesprochen.

Das abschließende Gespräch mit dem Publikum hätte noch länger laufen können, musste aber zeitbedingt irgendwann beendet werden. Viele Anwesende nutzen aber die Zeit nach der offiziellen Verabschiedung für Unterredungen in kleiner Runde.

Susanne Lanwerds Aussage in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 07.03.2018 fasst diesen Abend gut zusammen:
“Keine Psyche und keine psychische Realität funktioniert je ohne Kultur und damit auch, weil Religion genuiner Bestandteil der Kultur ist, auch nicht ohne Religion. Das heißt, alles ist voller religiöser und auch kultureller Bilder, Vorstellungen, Narrationen.”